Linderung von Knieschmerzen trotz Übergewicht: ein Fallbericht
In diesem Fallbericht wird die erfolgreiche Behandlung von myofaszial bedingten Knieschmerzen mit einer Kombination aus 75% Eigenübungen und 25% Triggerpunkt-Therapie beschrieben. Der Fallbericht richtet sich an Gesundheitsfachpersonal und interessierte Laien.
Abstract:
Fallpräsentation: Eine übergewichtige Patientin (Jahrgang 1957, BMI >30) mit rheumatoider Arthritis litt vor allem an Schmerzen am rechten Knie. Daneben hatte sie auch Schmerzen im unteren Rücken sowie in den Händen und im Kiefer-Nackenbereich, als Hauptproblem wurden jedoch die Schmerzen im rechten Knie definiert.
Behandlung und Resultate: Durch eine Kombination von hauptsächlich aktiver und wenig passiver Therapie konnten die Knieschmerzen im Verlauf von 14 Behandlungen drastisch gesenkt werden. Die Patientin lernte im Verlauf der Therapie, den aktiven Teil der Therapie zuhause selber durchzuführen, sodass die Therapiefreuquenz zuerst reduziert wurde und die Thearpie schliesslich abgeschlossen werden konnte. Die Patientin ist nun in der Lage, ihre Schmerzfreiheit selbstständig aufrechtzuerahlten.
Diskussion: Der Therapieerfolg war möglich, obwohl die Patientin aufgrund ihres Rauchstopps über 20 Kilogramm zugenommen hatte und einen BMI von >30 aufwies. Unter vielen Therapeuten herrscht leider die Meinung vor, dass Übergewicht bei Gelenkschmerzen (v.a. Knie) einen Therapieerfolg so gut wie verunmögliche. Dieser Fall widerlegt diese vorherrschende Meinung. Er zeigt auf, dass auch andere Faktoren den Therapieerfolg beeinflussen: einerseits die Compliance von Patientenseite aber andererseits auch der Wille von Therapeutenseite, sich ernsthaft mit einem schwierigen Fall auseinanderzusetzen, nicht vorzeitig aufzugeben und eine Rolle als Motivatorin im Therapieprozess zu übernehmen. Natürlich kann eine dauerhafte Gewichtsreduktion bei übergewichtigen PatientInnen ein wichtiges Fernziel sein. Dieses ist aber eher zu erreichen, wenn zuerst die Schmerzen reduziert werden: im vorliegenden Fall konnte die Gehstrecke der Patientin verdreifacht werden. Somit wurden auch die Chancen, eine dauerhafte Gewichtsreduktion zu erzielen, deutlich verbessert.
Fallpräsentation:
Eine Patientin mit rheumatoider Arthritis (Jahrgang 1957) stellte sich mit einer Verordnung für möglichst aktive Therapie zur Behandlung ihrer Schmerzen am rechten Knie vor. Da man der Patientin bereits gesagt hatte, dass sie ihre Schmerzen mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht loswerde, solange sie übergewichtig sei, musste sie zuerst motiviert werden, trotzdem bei der Therapie mitzumachen. Ich erklärte ihr, dass eine Schmerzreduktion bei Übergewicht durchaus möglich sei, und dass eine Gewichtsreduktion natürlich immer noch angestrebt werden sollte, allerdings erst in einem zweiten Schritt, wenn die Schmerzen reduziert und mehr Bewegung möglich sei. Die Patientin liess sich schliesslich motivieren, einen Versuch zu starten. Da der Abschluss ihres Erwerbslebens kurz bevorstand, wurde das Ziel “schmerzfrei in die Pension” definiert. Dies schien der Patientin zu gefallen und sie war bereit für den Versuch.
Behandlung und Resultate:
Der aktive Teil Therapie bestand aus einer Kombination von Dehnübungen und Selbstbehandlungen mit einem Faszienroll-Set (keine registrierte Marke), während für den passiven Teil Triggerpunkt-Therapie nach Gautschi durchgeführt wurde. Den Aufbau der Therapiesitzungen gestaltete ich wie folgt: in einer ersten Sitzung behandelte ich die Patientin ausschliesslich passiv mit Triggerpunkt-Therapie, denn ich wollte mir ein genaues Bild der Beschwerden machen. Es stellte sich heraus, dass vor allem das Pes anserinus rechts sehr druckdolent war und dass die Wadenmuskulatur (Mm. gastrocnemii re sowie M. soleus re) verkürzt und war und viele Triggerpunkte enthielt. Auch die ischiokrurale Muskulatur war verkürzt und enthielt Triggerpunkte. Ab der zweiten Sitzung wurde an diesen Problemstellen aktiv gearbeitet: Mit einer Faszienrolle (Durchmesser ca. 15cm) wurden zuerst beide Beine dorsal und auch das Gesäss, langsam und von distal nach proximal ausgerollt. Dass beide Beine und auch das Gesäss behandelt wurden, hatte den Grund, dass die Patientin auch am linken Knie bereits Schmerzen hatte, aber noch nicht so starke wie rechts und dass sie auch an Schmerzen am unteren Rücken litt, von denen ich vermutete, dass sie ihren Ursprung in der Glutealmuskulatur hatten. Bei dieser Rollübung musste die Patientin sich in den Schulter aufstützen, was für sie anstrengend war. Trotz der Anstrenung liess sie sich von Anfang an motivieren und machte sehr gut mit. Das Einschalten von kurzen Pausen (10-20 Sekunden), in denen die Handgelenke gekreist wurden, hat sich hier gut bewährt. Mit einem kleinen Faszienrollball (Durchmesser ca. 10 cm) lernte die Patientin danach, ihr Pes anserinus zu bearbeiten. Dabei zeigte ich ihr, wie sie mit langsamen Rollbewegungen die schmerzhaften Stellen auffinden und behandeln konnte, indem sie den Druck langsam aber stetig steigerte. Dabei stellte sich heraus, dass auch das Gebiet distal des Pes anserinus bis Mitte Unterschenkel sehr druckdolent war. Entsprechend wurde dieses behandelt. Schliesslich wurde die Wadenmuskulatur mit zwei Dehnübungen gedehnt: eine Übung mit gestrecktem Bein (für die Mm. gastrocnemii) und eine Übung mit flektiertem Knie (für den M. soleus). Die Mm. ischiocrurales wurden im Sitzen gedehnt (mit einer Schlaufe, die um den Fuss angelegt wurde und welche die Pat. in der Hand hielt). Alle Dehnungen wurden 60-90 Sekunden gehalten und während dieser Zeit jeweils beim Ausatmen sanft gesteigert. Es wurde statisch gedehnt (also auf ein Wippen verzichtet). Die Dehnungen schlossen den aktiven Teil der Therapie ab (Dauer: 30 Minuten). Die letzten 10 Minuten der Behandlung waren jeweils für passive Massnahmen reserviert (was übrigens auch zur Motivation während der aktiven Therapie diente). In dieser Zeit behandelte ich je nach aktueller Schmerzsituation der Patientin ihre Waden, die Fusssohlen oder das Gesäss mit Triggperpunkt-Therapie nach Gautschi. Nach 9 Behandlungen waren die Knieschmerzen rechts so stark reduziert, dass die Gehstrecke der Patientin verdreifacht worden war. Aus diesem Grund konnte die Therapiefrequenz von 2x40’/Woche auf 1x40’/Woche reduziert werden. Da die Patientin nun auch gesehen und gespürt hatte, wie erfolgreich die Therapie war, konnte sie relativ einfach dazu motiviert werden, sich ein eigenes Faszienroll-Set zu kaufen und die Selbstbehandlungen zuhause weiterzuführen (ich handle selber nicht mit Faszienroll-Sets und empfahl ihr, eine günstige Variante zu kaufen, die ich zuvor selber ausprobiert und für adequat befunden hatte, siehe Quellen unten). In den nächsten 5 Sitzungen wurde an der aktiven Therapie nichts verändert. Da aber die Knieschmerzen viel besser waren, blieb in den 10 Minuten der passiven Therapie Zeit, andere Körperstellen zu behandeln: so wurden die Kiefer-Nacken-Region, die Schulterpartie und auch die Unterarm-Extensoren und Thenare mit Triggerpunkt-Therapie behandelt, was jeweils zu Schmerzreduktion führte. Dass die Patientin alle diese Stellen auch selber behandeln konnte (kleiner Faszienball für die Kieferregion, Rolle für den oberen Rücken und Schulter, Dehnungen für die Unterarm-Extensoren, Faszienball für die Thenare), leuchtete ihr ein. Nach 14 Sitzungen konnte die Thearpie abgeschlossen und die Patientin in die Selbstständigkeit entlassen werden.
Diskussion:
Dass eine Kombination aus aktiver und passiver Therapie mit einem hohen Anteil an Eigenverantwortung auf Patientenseite hochwirksam sein kann, ist hinlänglich bekannt. Bei diesem Fall stechen aber zwei weitere Punkte hervor. 1.) die Schmerzsituation der Patientin konnte stark verbessert und ihre Gehstrecke verdreifacht werden, obwohl sie übergewichtig war. Die gängige Meinung, dass Gelenkschmerzen (v.a. Knieschmerzen) primär durch Übergewicht verursacht werden und nur durch eine Gewichtsreduktion erfolgreich behandelt werden können, wird mit diesem Fall widerlegt. Vielmehr scheint eine Gewichtsreduktion (die bei übergewichtigen Patienten ein längerfristiges Ziel sein kann) nach Schmerzreduktion und Steigerung der Gehstrecke ein viel realistischeres Ziel. 2.) die Einstellung von Therapeutenseite ist zentral: eine respektvolle, ressourcenorientierte und optimistische Grundeinstellung ist unentbehrlich. Dazu kann das Formulieren eines Ziels, welches die Patientin anspricht, den Verlauf der Therapie grundlegend verändern und positiv beeinflussen.
Quellen:
- Gautschi, Roland: Manuelle Triggerpunkt-Therapie. Myofasziale Schmerzen und Funktionsstörungen erkennen, verstehen und behandeln, 2., aktualisierte Auflage, Georg Thieme Verlag: 2010
- Information zum Faszienroll-Set: dieses wird von Decatholon für CHF 23.00 angeboten (Stand 04.10.2021). Link zum online Shop
- Quelle zum Bild